Elisabeth Dauthendey - Weihnacht

und sagten zueinander: »Ach, wenn es doch immer so bei uns sein könnte!« Der Hofhund lief voll Freude zu ihnen hin und wedelte mit seinem Schwanze und war über die Maßen vergnügt. Aus allen Dörfern und Städten umher klangen von fernher die Christglocken. Tausende von Vögeln sangen in den Zweigen – sie sangen mit menschlichen Stimmen, denn es war ja die heilige Christnacht. »Stille Nacht, heilige Nacht!« tönte es tausendstimmig durch den Wald, und von den Bäumen kam ein wundervolles tiefes Rauschen, als sängen auch sie dies hohe Lied zur Ehre des Heilandes mit. Und immer tiefer in den Wald gingen die vier zusammen, stumm vor Entzücken und wie verzaubert von all der Herrlichkeit umher. Und je tiefer sie hineinkamen, desto schöner wurde es. Das Licht wurde immer strahlender, und die Vögel sangen immer lauter, und die Bäume rauschten feierlich wie die Orgel sonntags in der Kirche. – Plötzlich kamen sie an eine weite Wiese. Da blühten mitten im Schnee alle, alle Blumen, die man sonst nur im Sommer findet, und sie nickten mit ihren Köpfchen und läuteten mit ihren Glöckchen und riefen mit ihren feinen Stimmchen: »Willkommen, willkommen im Garten des Christkinds!« Und unter einer großen Tanne, die ihre schweren weißen Äste weit wie ein Dach ausbreitete, saß das Christkind auf einem silbernen Stuhl. Es war weißer als der Schnee und glänzender als alles Licht umher, und seine Stimme war lieblicher als der Gesang der Vögel. Als es die Kinder sah, kam es von seinem silbernen Stuhl herunter zu ihnen und winkte ihnen freundlich und sprach gar sanft zu ihnen. »Kommet zu mir her, meine lieben Kinder,« sagte es, »habt ihr heute einen Wunsch, so wird er euch erfüllt werden. Was wünschest du, lieber Knabe?« »Ach,« sagte Heinz, ohne sich lange zu besinnen, »ich wünsche, daß unser Mütterchen gesund wird.« »Und du, mein liebes kleines Mädchen?« »Unser Mütterchen – unser Mütterchen – « sagte Liese schüchtern. »Habt ihr wohl noch einen Wunsch?« fragte das Christkind. »Denkt ein wenig nach, vielleicht wünscht ihr noch etwas?« Die beiden dachten lange nach, und endlich sagten sie: »Nur Mütterchen soll gesund sein, dann ist alles gut.« Da legte das Christkind seine lieben Hände auf das Haupt der Kinder und sagte: »Seid gesegnet, daß ihr nur an euer Mütterchen dachtet – es wird

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