Elisabeth Dauthendey - Weihnacht
sich alles gefallen lassen müssen, glaubt er oft, sie fühlten Leid und Schmerzen weniger als er selbst.« »Wau, wau!« bellte der Hofhund aus seiner Hütte heraus. »Wohin geht ihr denn so spät in der Nacht?« »In den Wald zur Christnacht,« sagte der Schneemann. »Willst du mit? Auch für dich ist da Schönes zu erleben.« »Ich bin an der Kette – an der Kette.« »Mach' dich los, mach' dich los!« rief der Schneemann. Und da fiel die Kette klirrend ab, und der Hund sprang vergnügt zu ihnen her. »Wie das gut tut, bei euch zu sein!« sagte er. »Nur einmal im Jahr sprechen zu können und dann an der Kette liegen und zu niemand hingehen können – das ist hart.« Und so wanderten sie nun zu vieren die schneeweiße Dorfstraße entlang zum Walde hin. Es ging etwas langsam, weil der Schneemann keine ordentlichen Füße hatte. »Hättet ihr mich nur etwas besser gemacht!« sagte er seufzend. »Ja, wenn wir das gewußt hätten,« sagte Heinz. »Man muß alles ordentlich machen, was man tut,« brummte der weiße Mann. Aber endlich kamen sie doch zum Walde. »Oh, wie ist das schön!« sagte Liese leise, und Heinz faltete die Hände vor lauter Erstaunen. Das war aber auch eine Pracht! Der große dunkle Wald war heute hell und strahlend. Oben leuchtete der Mond mit seinem silbernen Licht, und unten schimmerte und glitzerte der weiße Schnee. Die Bäume hatten tausend funkelnde Schneesterne auf ihren Zweigen, daß es aussah, als seien sie mit blitzenden Edelsteinen behangen – es war ein Leuchten, Flammen und Glitzern, und aus dem allen zusammen wurde ein seltsames geheimnisvolles Licht, wie sie es sonst nie gesehen hatten. Und auf den weiten Schneematten spielten alle Tiere des Waldes. Und alle lagerten heute friedlich nebeneinander, die sich sonst in Streit und Hader verfolgten und anfeindeten. Da lagen Wolf und Bär und Fuchs und Hasen und plauderten miteinander. Eichhörnchen und Wiesel, Rehe und Hirsche spielten Verstecken zusammen, und Hunderte von kleinen Mäuschen huschten zwischen ihnen hin und her. Alle waren sie so glücklich und froh
RkJQdWJsaXNoZXIy MjA3NjY=