Elisabeth Dauthendey - Märchen von heute
Menschen. Er setzt uns goldene Lichtlein und viel süße Dinge in die Zweige, und die Kinder jubeln und freuen sich an diesem Abend wie sonst nie im ganzen Jahr.“ „Kinder sollen keine Süßigkeiten haben, werden nur naschhaft davon und krank,“ sagte der Haselstrauch streng. „Und drei Tage lang zünden sie jeden Abend in der Dämmerung die goldenen Lichtlein an, und in diesem Glanze erzähle ich ihnen dann viele schöne Märchen, und deshalb muß ich träumen und in den Himmel schauen und alles Schöne erspähen ringsumher. Kinderaugen brauchen viel Schönheit und Liebe. Und wenn sie sich an mir gefreut haben drei Tage lang, dann sind meine Zweige trocken und krank, und ich muß sterben -- sterben, damit die Kinder sich freuen.“ „Oh -- oh," sagte der Haselstrauch, „das ist hart und bitter, und die ungezogenen Kinder sind es gar nicht wert, daß man für sie stirbt,“ „»Ah, sieh! Dort sehe ich schon von fern den Christengel kommen mit seinem goldenen Wägelein und dem grauen Eselein mit silbernen Ohren davor.“ „Duck' dich, duck' dich!“ rief der Haselstrauch. „Stell` dich hinter die hohe dunkle Fichte dort, daß d er Engel dich nicht sieht!“ : Die Tanne antwortete nicht. Und als der Christengel mit seinem Wägelein nahe herankam, knisterte sie leise mit ihren grünen Nadeln und rief: „Nimm mich mit -- nimm mich mit!“ „Oh," sagte der Engel, „du bist herrlich gewachsen , und wundervoll müssen meine Lichtlein auf deinen schönen Zweigen sitzen. Aber du bist noch so jung, willst du nicht lieber noch ein weiteres Jahr im stillen Walde träumen?“ „Nimm mich mit -- nimm mich mit!* sagte die Tanne. „So will ich di ch denn schmücken, liebe Tanne,` sagte der Engel und nahm von seinem goldenen Wägelein hundert Lichtlein und viele bunte Dinge, die wie Edelsteine blitzten, und hängte sie in
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