Elisabeth Dauthendey - Märchen von heute
und Glück. Die Menschen streckten die Arme nach dem Engel aus, schauten sich gegenseitig in die Augen, und ihre Herzen klopften laut und glücklich, und es bewegte sich etwas in ihnen, das hinaus wollte, und die andern umher f ragen wollte: „Bi st du auch so froh -- so froh wie ich? “ Und als nun der Engel seine Hände aufhob und alles umher segnete, fanden plötzlich alle Geschöpfe eine Stimme. Die Menschen sangen und sprachen und lachten, die Tiere gaben freudige Laute von sich, die Bäume rauschten, die Vögel sangen, und die Blumen dufteten. So jubelte jedes in seiner eignen Sprache, und die Erde war plötzlich nicht mehr stumm, und die Heiligen im Himmel freuten sich dessen. Und die Liebe blieb bei den Menschen. Und die Menschen nannten sie ihre Königin und dienten ihr willig. So waren sie alle sehr glücklich, denn sie liebten sich und taten sich gegenseitig alles Gute. Auch mit den Tieren und Bäumen, mit Vögeln, Blumen und Bach waren sie gütig und liebevoll, denn sie konnten ihre Sprache verstehen und ihnen helfen, so glücklich zu sein, wie sie selbst es waren. Der Liebe aber, die ihnen all diese Schönheit gebracht hatte, bauten sie einen goldenen Tempel und brachten täglich alles Beste und Schönste zu ihrem Throne. Und einmal im Jahr, in der heiligen Nacht, stieg die Königin von ihrem goldenen Throne herab und ging durch die Straßen der Menschen, durch die Städte und Wälder und hob ihre gütigen Hände über Menschen und Getier und Bäume und Quellen und segnete alles umher, daß alles gut sei und fruchtbar die Erde erfülle. Und alles Geschaffene freute sich auf diese heilige Nacht und fühlte, daß ein Strahl von Gottes großer Güte von diesem Segen zu ihnen kam. So gingen viele hundert Jahre, und es wurden immer mehr Menschen, daß die Erde kaum noch Raum hatte für sie alle. Und immer weiter weg vom Tempel der Liebe siedelten sich die Menschen an und bauten das Feld und die Städte, und die armen Tierlein wurden immer mehr verdrängt und flohen in die
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