Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen

reicher Besitz ihr gestatten konnte. Aber da war nichts zu ändern, zärtlich und anschmiegend in ihrem Wesen, besaß sie doch eine stille, feste Art, allem aus dem Wege zu gehen und alles abzulehnen, das sich ihrer so stark ausgesprochenen geistigen und seelischen Dichtung entgegensetzen wollte. So zart wie sie war, liebte sie den Sport, während Bälle und die übrigen seichten Vergnügungen ihr geradezu Widerwillen erregten. Man mußte sie gewähren lassen. Lehrer auf Lehrer mußte ins Haus, ihr Wissensdrang war schier unstillbar. Am liebsten hätte sie, wie sie mir gestand, sich ganz dem Studium gewidmet. Aber das jähe Entsetzen, das bei der ersten leisen Andeutung den Eltern gegenüber über diese kam, nahm ihr doch den Mut, ihren Willen durchzusetzen. Da in diesem gastfreien Hause, an den üppigen Gastmahlen vielerlei Menschen aus- und eingingen, darunter natürlich auch viel junges Volk, Männer der ersten Familien, konnte es nicht anders sein, als daß sich immerfort einer der letzteren in die liebliche, reizvolle Tochter des Hauses verliebte. Die Eltern sahen mit brennenden Augen diesen Annäherungen zu, ihrem Kinde das einfache, stille Glück erhoffend, das sie selbst in der Ehe gefunden. Aber immer wieder blieb einer der Werbenden fort, von dem kühlen Gleichmut Anjas schärfer getroffen und verletzt, als es durch eine deutliche Abneigung ihrerseits der Fall gewesen wäre. So war Anja einundzwanzig Jahre geworden. Vater und Mutter waren bitter enttäuscht und fast ein wenig in Verlegenheit all den vielen Freiern gegenüber, die sie selbst begünstigt und ermutigt hatten. Da tauchte eines Tages ein entfernter Verwandter auf. Ein hochbegabter, junger Mann, der eben von einer Studienreise aus Asien zurückkam, als Sinologe und Sanskritforscher kehrte er mit einer Fülle reichen, interessanten Materials in die Heimat wieder, um sich da an der Universität niederzulassen. Er verstand prachtvoll zu erzählen. Anja horchte mit leuchtenden Augen und rosigen Wangen, und konnte stundenlang ohne jede Ermüdung mit Lauschen und Fragen hinbringen. Die Eltern atmeten auf. Endlich schien sich ihr so natürlicher und begreiflicher Wunsch zu erfüllen.

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