Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen

Und nun? Beate fühlte sich gequält durch die immer enger werdende Stille, die Miselle umhüllte. Und diese konnte sich von der immer unruhiger aufbrausenden Erregtheit der andern bis zur Unerträglichkeit zerrissen fühlen. Ihr Lieben war nicht verschwunden. Sie hätten einander jedes Opfer bringen mögen, aber ein Fremdes stand zwischen und neben ihnen und zerrte sie gleichsam in demselben Augenblick auseinander, in dem die lange Gewohnheit sie zueinander zog. – Plötzlich wußten sie, daß sie ein Geheimnis voreinander hatten. Ein quälendes Geheimnis, dessen sie sich vor sich selbst schämten und das sie doch so brennend gern vor die Türe des andern Herzens gelegt hätten, daß diese sich öffne und es in seine Wärme aufnehme und löse. Aber sie fanden nicht mehr zueinander. Sie waren beide in den Jahren, da sich die aufgestaute Lebenssehnsucht noch einmal jäh zu steiler Flamme aufbäumt, ehe sie zu Ende sinkt und verlöscht. Und dieses nagenden, zehrenden Lebensdranges waren sie sich tief und heimlich bewußt und fühlten sie als das Neue und Feindliche, das zwischen ihnen stand. Und es war eine schmerzliche Qual in ihnen, daß es so war, daß sie es nicht ändern konnten und daß sie sich so unsäglich voreinander in lauter Unwahrheit verstrickten. Beate, als die positivere Natur, erkannte ihrer beider Zustand am klarsten. So konnte es nicht weitergehen. Sie verloren ihr Feinstes und Bestes in diesem ganz unnötigen Kampf gegeneinander, der doppelt zerrüttend wirkte, da sie im letzten Grunde harmonisch aufeinander abgestimmt waren. So nahm sie denn mit einem starken Entschluß ihr Leben in die Hand und trennte sich von Miselle. – Wir wollen uns besinnen, ob wir uns noch liebhaben – sagte sie. Traurig und doch wie erlöst umarmten sich die Schwestern, und an dem tiefen Schmerz, den sie dabei fühlten, wußten sie plötzlich tief und freudig, daß sie sich noch wie zuvor liebten, und daß eine bittere Sehnsucht in ihnen bleiben würde. Aber leichter ließ sich diese Schwere der Sehnsucht tragen als die Last der Verwirrung und Unlauterkeit, unter der sie die letzten Jahre sich hatten krümmen und voreinander verbergen müssen. Vogelfrei jedem Ansturz des Lebens gegenüber atmete Beate wie von tausend Ketten und Fesseln befreit auf. Sie wußte, daß sie den Becher der Leidenschaft an ihre Lippen nehmen mußte, wenn anders nicht etwas in ihr zugrunde gehen und sie für die letzte Hälfte ihrer Zeit in ihrem Besten

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