Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen
Resa nahm das Brot und ging langsam in die schattendunklen Laubgänge hinein. Ihr Gang hatte nichts von der federnden Erregbarkeit des Kindes, es lag etwas Müdes, von Gedanken Beschwertes in ihrem versonnenen Schreiten. Es fehlte die tragende Schwebung des Gleichgewichtes zwischen Körper und Seele. Etwas Überreifes lag wie ein schmerzlicher Hauch über Stirn und Augen, dem die Zartheit der Glieder nicht gewachsen schien. Soviel Drängen und Fragen schwirrten durch des Kindes Denken und Fühlen. Die Umwelt war ihm ein furchtbares Chaos von antwortlosen Dingen und wirrem Geschehen. Keine liebende Hand baute ihm die heiteren Brücken, welche die Seele aus ihrem langsamen und schweren Erwachen mit Spiel und Tanz zu den Tälern der Menschen führen. Die Muttergüte fehlte seinem Leben. Härte und Strenge führte es auf engen, dunklen Straßen. Und all der köstliche Reichtum seiner unendlichen Begabungen lag wie eine Last auf ihm und welkte an den stumpfen Wegen, die man es zu gehen zwang. So blieb ihm nur der Traum seine Zuflucht. Ein Warten und Lauschen auf Kommendes und Fernes, das wie ein Licht käme von irgendwoher und all die Dämmerungen zerbräche, die wie eine Mauer vor ihm standen, aus der es keinen Ausgang fand. – Resa kam an den Fischteich. Achtlos warf sie das Brot hinein in automatischem Gehorsam der nachwirkenden Worte der Kinderfrau. Die Fische interessierten sie nicht. Sie blickte zu der gewaltigen Steingruppe in der Mitte des Brunnens, wo ein mächtiger Triton auf einem Delphin saß und mit vollen Backen auf einer Seemuschel blies, hinter ihm auf einem erhöhten Felsen lehnte eine Frau, deren Leib in einen breiten Fischschwanz endete, in ihrer Hand hielt sie einen zappelnden Fisch, mit dem sie lachend zu sprechen schien. Ob das die Seejungfrau ist, dachte Resa, denn sie trug eine Unzahl von Märchen mit sich herum, aber wo ist der Prinz und das alte Meerweib? – – Das sind merkwürdige Leute – sagte da eine Stimme neben ihr, und eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Es war eine knochige, unangenehme Hand. Resa schob unruhig mit der Schulter und hätte sie am liebsten weggestoßen. Als sie aufblickte, sah sie in ein altes Männergesicht, das mit seltsam lachenden und doch bösen Augen zu ihr heruntersah. Da wagte sie nicht, die Hand wegzustoßen, alten Leuten mußte man gehorchen.
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