Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen
Das Kind Das Kind saß auf einer Bank. Mitten im Sonnenblust des blühenden Schloßgartens. Es blickte versonnen vor sich hin. Die flimmernden Sonnenwellen, die schweren Düfte und leuchtenden Farben der üppigen Blumenbeete umher umhüllten seine zarte, noch unerwachte Seele mit seltsam fremden Bildern. Umspannten es mit flatternden Traumfäden, die sich irgendwo an sein Denken und Fühlen anhängen wollten. Aber da alles in ihm noch so ungeschlossen und allzu bereit wie frisch aufgebrochene Frühlingserde war, fanden sie nichts Haltendes darin. Und so blieben sie nur ein lindes Schwingen von Licht und Schatten und Düften. So gleichsam in einem doppelten Traumkreis verfangen, schwamm des Kindes Seele wie ein Rosenblatt auf den heißen Wellen des ringsum blühenden Lebens umher. Schlank und zart und lieblich war alles an ihm gebildet. Das seidenweiche Blondhaar lag schlicht um das feine Gesicht. Die großen, schimmernden Augen waren voll Lauschen und Suchen und Erwarten. Die zart geschwungenen Lippen etwas geöffnet und von einer leisen Traurigkeit umspielt. Die schmalen, blassen Hände lagen lässig im Schoß, die Schultern neigten sich ein wenig wie unter einer unsichtbaren Last. Es war nichts Fröhliches um das Kind. Seine Kleidung gut und sauber, aber nichts von dem flatternden Tand daran, womit glückliche Hände ihre Lieblinge schmücken. Ein frühreifer Ernst lag ihm auf der Stirn, der seltsam und fast beängstigend die träumerische Versonnenheit dieser kindlichen Reine umschattete. Aber trotz all diesem Zwiespältigen oder vielleicht gerade um dessen willen, war es von einem seltsam sinnlichen Reiz umblüht. – – Resa – Das Kind schrak zusammen. Konnte aus seiner traumhaften Verlorenheit sich nicht gleich zurechtfinden und blickte hilflos um sich. Aber zugleich mit dem Rufe war es automatisch aufgesprungen. Man fühlte es dieser spontanen Bewegung an, daß es an allerstrengsten Gehorsam gebunden war. Auf einer entfernteren Bank saß die Kinderfrau neben dem Kinderwagen, in dem blütenzart umhüllt das jüngste Brüderchen lag. – Beweg' dich ein wenig – sagte die Kinderfrau, da hast du etwas für die Goldfische im Teich. –
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