Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen

Frühlingstrunkenheit Hast du den Frühling je im Walde gesehen? Die berauschenden Feste belauscht, welche die Sonne ihrem Lieblinge dort bereitet? Alle Teppiche nahm sie aus der winterlichen Kammer. Breitete den smaragdnen Samt über die warme, pochende Erde. Griff tief in die Truhen ihrer Schatzkammern und streute mit vollen Händen sanfte Perlen und leuchtendes Edelgestein darüberhin, daß alle Farben ihre süßen Lockungen entflammten. Die graue Himmelskuppel warf sie mit brennender Ungeduld weit hinauf, daß sie wie ein Dom sich über die wartende Erde spannte, und alle seidene Bläue, die in der Herbstkammer dieser Feierstunde gewartet, hing sie über diese Kuppel hin, daß die tiefe blauende Pracht wie ein Tanz von Licht und Glanz über die Erde hinflog. Ein heimliches Grüßen ging zwischen dieser seidenen Bläue des Himmels und dem grünen Gold der schimmernden Waldbäume hin und wieder. Mit lindem Flüstern strich der junge laue Wind durch die zärtlichen Blätter, die licht und durchsichtig aufstrahlten, wenn die schwirrenden Pfeile der Sonne sie trafen. Und hörtest du je das Lied der zagen, schwellenden Sehnsucht, die aus tausend liebestrunkenen Kehlen den weiten prunkenden Hochzeitssaal des neu erwachten Waldes erfüllt? Voll flehender Erwartungen steht alles bereit. Bereit für alle glühenden Erfüllungen, die er, der nahende Erlöser, der bräutlich bebenden Erde bringt. Die Sonne hat ihm das Liebesbett bereitet. Und selig schreitet er über die Schwelle all der geheimen Kammern, in denen tausend Türen ihm weit offenstehen, tausend Lippen auf den zeugenden Kuß seiner segnenden Flammen warten. So steht der Wald. In Frühlingstrunkenheit versunken. Ein Märchenzauber, für den kein Dichter je das Wort gefunden, um das zu sagen, was sich nur schauen läßt. Nur schauen, fühlen und sich wandeln. Eins werden mit dieser göttlichen Berauschung.

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