Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen
verloren und empfanden nun in jähem Umschwung die erdhafte Nüchternheit der Dinge umher. Alle Ströme der Gnade waren versiegt, die himmlischen Heerscharen, mit denen sie bisher so nahe und innige Zwiesprache gehalten, blieben der Erde entrückt, in die unfaßbare Ferne der Ewigkeit zurückgenommen, aus welcher auch das von wildester Not durchbebte Gebet sie nicht mehr heranzuzwingen vermochte. Verstört und verwirrt starrte die junge Nonne in dieses unentwirrbare Chaos, an das sich ihr ganzes Wesen verloren und das sie in die Grenzenlosigkeit des Nichts auflösen zu wollen schien. Mit der letzten Kraft ihrer entgötterten Seele hüllte sie sich von Kopf bis zu Füßen in das Dornengewand der Reue und Buße und, von Demut und Zerknirschung bis in die letzten Fasern zermürbt, warf sie sich dem Priester zu Füßen. Dieser, im milden Leuchten seiner wissenden Güte, legte ihr die segnenden Hände auf die brennenden Wundmale, und mit der stillen Weisheit der Liebe griff er in die geheimnisvolle Tiefe ihres Leides, da wo die Wurzeln ihrer Kräfte verknotet und verdorrt in ihrem krank gewordenen Boden ruhten. Und seine Stimme, beladen mit allen Gnaden der ewigen Wahrheit, durchdrang die erschütterte Seele und richtete langsam Wort um Wort ihre zerstörte Schönheit wieder auf. Und leise hob ein neues Blühen an. Tag um Tag weitete sich dieses Blühen und bedeckte den dürren Sand der Wüste allmählich mit einer neuen fremden Pracht, und in einer seltsam feierlichen Stunde schlug die junge Nonne die Augen auf und sah die Erde von jener Göttlichkeit der Schönheit und Seligkeit bedeckt, die sie bislang hoch über ihr in weiten Fernen gesucht hatte. – Siehe – sagte der Priester – gleichwie der leuchtende Regenbogen für einen seligen Augenblick den Himmel mit der Erde bindet – Siehe – so bindet die Liebe von Mann und Weib den Himmel ihrer Herzen an die Erde ihres Blutes, daß sie sich selbst und Gott erkennen. Laß deine Kräfte neu erblühen und wende dich zum Leben, heilige die Erde in dir durch die Liebe, so wird der Himmel zu dir kommen und in dir sein, und du brauchst ihn nicht über den Wolken zu suchen. Des Himmels Gnadenfülle zu ertragen, geht den Sterblichen meist über ihre Kraft, und nur ganz selten ist ein Begnadeter dieser seligen Last gewachsen. Du aber brauchst Erde unter deinen Füßen – Geh, mein Kind, ich entbinde dich deines Gelübdes – Möge das Weh der Erde dir leicht sein. – Und die Nonne Serapha fand die Kraft, ihren heiligen Namen am Altar wieder in Gottes Güte zurückzugeben.
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